Pädiatrische Diabetes-Sprechstunde 2.0: CGM-Systeme haben die Arbeit in Ambulanz und Klinik um 180 Grad gedreht
Solche Blutzucker-Kurven sieht man in der Kinder-Diabetes-Therapie nur noch sehr selten.
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Als ich 1999 in der Universitätskinderklinik Lübeck meine Tätigkeit im Diabetesteam begann, war neben der Nutzung der Diabetessoftware DPV die schnelle Auswertung von Blutzuckertagebüchern eine wichtige Grundlage. So lernte ich in den Blutzuckertagebüchern die Werte in Zeitfenstern von morgens bis nachts vor meinem Auge zu ordnen, Trends zu erkennen und die Insulintherapie mit Pens für Normal- und Basalinsulin und Spritze für die Nacht (Zinkinsulin tierischen Ursprungs/Schwein) entsprechend anzupassen. Hinter dieser Art des strukturierten Lesens und Analysierens von Zahlen stand die Hoffnung, dass diese auch tatsächlich die Stoffwechsellage widerspiegeln. In der Diabetes-Sprechstunde saßen damals Arzt und Diabetesberaterin oft zusammen mit den Eltern und dem Kind und die Rezepte füllten wir per Hand aus.
Softwareauswertungen als Beratungs-Grundlage
Inzwischen hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden, die Diskussion von Softwareauswertungen ist dabei in den Vordergrund gerückt. Mit Einführung der Systeme zum kontinuierlichen Glukosemonitoring in real-time (rtCGM) oder mit intermittent scanning (iscCGM) ist nochmals ein Quantensprung in der Therapie erfolgt. Damit einhergehend müssen nun noch mehr Hilfsmittel ausgelesen und Daten zusammengeführt werden.
Die Diabetessprechstunde ist bei uns heutzutage eine straffe Aneinanderreihung von Datenaufnahme aus den verwendeten Geräten, HbA1c-Messung, Rezepterstellung, ärztlicher Beratung mit ggf. Untersuchung und Blutentnahme. Nach dem Termin folgen Dateneingabe in die Software DPV und Brieferstellung. Dazu kommen zusätzliche, zeitaufwendige Begleitaufgaben wie die Gutachtenerstellung für rtCGM und Insulinpumpe, umfangreicher Schriftverkehr und Telefonate zur Sicherung der Versorgung in Kita und Schule.
Fast jedes Kind hat ein CGM-System
In unserer Ambulanz hat fast jedes Kind ein CGM-System mit oder ohne Alarm und dieses wird zur Datendokumentation verwendet. Leider müssen wir feststellen, dass viel zu selten Kohlenhydrate (was und wie viel) oder Insulingaben dokumentiert werden, obwohl die Geräte diese Daten aufnehmen könnten. Erschwerend kommt hinzu, dass die Darstellung dieser Zusatzinformation von Software zu Software unterschiedlich ist, mal erscheinen Zahlen, mal „nur“ Symbole. Die Folge ist, dass gerade bei einer Kombination von Insulinpumpe und rtCGM-System die Insulinpumpenprotokolle „leerer“ aussehen als vor rtCGM-Einführung. Es werden beispielsweise nur noch hohe Sensorzuckerwerte (oder Blutzuckerwerte) zur Nutzung des Bolusmanagers in die Software eingegeben, niedrige oder normnahe rtCGM-Werte jedoch nicht. Die rtCGM-Softwareauswertungen hingegen bieten verlässliche, praktisch nicht manipulierbare Verläufe. Aber ohne Angaben von Insulin, Kohlenhydraten und Events (Sport) liegt es wortwörtlich im Auge des Betrachters, die Kurven und Pumpendaten wieder vor dem eigenen Auge übereinander zu legen.
Auf dem Markt sind für die Patienten sowohl kostenpflichtige als auch kostenlose Softwarelösungen verfügbar, die Insulinpumpen-, rtCGM-, iscCGM- und Blutzuckerwerte verschiedener Firmen zusammenfügen können. Möchte der Patient eine spezielle Software nutzen, die in der Ambulanz nicht üblich ist, kann er seine Daten per E-Mail schicken, aber sollte dies verschlüsselt durchführen. Einige Softwarelösungen bieten eine Verschlüsselung an, die meisten erzeugen jedoch nur eine unverschlüsselte PDF- oder CSV-Datei.
Leider müssen wir konstatieren, dass kaum eine Klinik oder Praxis heute schon regulär eine Verschlüsselungssoftware für den Diabetesteam-Patienten-Kontakt anbietet, und daher senden die Patienten ihre Daten meist unverschlüsselt.