Anzeige

Schlafen im Nachtdienst: Schichtarbeit besser überstehen

Autor: Michael Brendler

Kurze nachmittagliche Schlafeinheiten von 60-90 Minuten helfen schon, während dem Dienst wacher zu sein und in einen geregelteren Schlafrythmus zu kommen. Kurze nachmittagliche Schlafeinheiten von 60-90 Minuten helfen schon, während dem Dienst wacher zu sein und in einen geregelteren Schlafrythmus zu kommen. © iStock.com/Wavebreak
Anzeige

Durchwachte Nächte sind im Krankenhaus ein ungeliebter, aber unvermeidlicher Teil des ärztlichen Berufs. Wer im Vorfeld keine Schlafschuld aufbaut, während der Schicht auch mal döst und danach auf seine Schlafqualität achtet, der entgeht der Abwärtsspirale, die zur chronischen Insomnie führt.

Für Nachtarbeit ist der Mensch nicht gemacht. In den frühen Morgenstunden, zwischen drei und fünf Uhr, erreichen Aufmerksamkeit, kognitive Fähigkeiten und psychomotorisches Koordinationsvermögen ihren Tiefpunkt, schreiben Dr. Helen­ McKenna­, Intensivmedizinerin am Londoner Royal Free Hospital, und der Anästhesist Dr. Matt­ Wilkes­ vom Royal Infirmary in Edinburgh. Am folgenden Tag muss der Schichtarbeiter wiederum genau dann seinen Körper zum Schlafen bringen, wenn seine innere Uhr am wenigsten darauf eingestellt ist.

Zwei Cochrane Reviews widmeten sich kürzlich Techniken, die helfen, den Nachtdienst besser wegzustecken. Die eingeschlossenen Studien hatten jedoch meist nur geringe Qualität. Die Ergebnisse: Ein Patentrezept existiert nicht. „Angesichts der Komplexität des Problems schlagen wir vor, dass sich jeder seine individuelle Strategie zusammenmixt“, so die beiden Autoren.

Nachmittags ein Schläfchen über 60 bis 90 Minuten

Ihr erster Rat lautet, schon im Vorfeld die Schlafschuld zu minimieren. Praktisch bedeutet das, für den Morgen vor der Schicht am besten keinen Wecker zu stellen und das Schlafkonto durch 60- bis 90-minütige Nickerchen tagsüber weiter aufzufüllen – das Nachmittagstief zwischen 14 bis 18 Uhr eignet sich hierfür gut. Während der Schicht können Powernaps neue Lebensgeis­ter wecken – am besten mit einer Dauer von maximal 30 Minuten. Wer länger döst, muss damit rechnen, sich anschließend noch erledigter zu fühlen.

Kaffee hilft natürlich ebenfalls, wach zu bleiben. Dass Koffein Denkvermögen und Aufmerksamkeit auf die Sprünge hilft, bestätigen immerhin zwölf randomisierte kontrollierte Studien. Aber Achtung: Angesichts der Pharmakokinetik des Genussmittels empfehlen die Kollegen, den Konsum mindestens drei Stunden vor dem Zubettgehen einzustellen.

Mit Ohrstöpseln und Schlafmaske ins kühle Bett

In zwei kleinen Studien förderte Fasten während der nächtlichen Arbeitszeit die Leistungsfähigkeit. Da es schwer durchzuhalten ist, raten Dr. McKenna und Dr. Wilkes, kurz vor der Schicht eine größere Mahlzeit einzunehmen und während der Arbeit nur das Nötigste zu essen. Für die Zeit zwischen den Diensten lautet ihr Tipp: So viel Schlaf wie möglich herausholen, z.B. durch eine verbesserte Schlafqualität. Dazu gehören auch vorbereitende Aspekte wie das Meiden blauen Lichts von Computern und Smartphones und auf dem Heimweg eine Sonnenbrille zu tragen, um so dem Tageslicht zu entgehen. „Schaffen Sie sich eine dunkle, ruhige Umgebung zum Schlafen“, schreiben die Autoren und empfehlen neben geschlossenen Jalousien Schlafmaske, Ohrenstöpsel und White-Noise-Generatoren. Kühle Temperaturen würden ebenfalls beim Einschlafen helfen, genau wie eine Routine vor dem Zubettgehen, etwa ein Bad nehmen, ein Buch lesen oder sanftes Dehnen.

Rausgehen und Menschen treffen

Nach mehreren Nachtdiensten muss man die Schlafschuld abbauen und zu einem normalen Schlafrhythmus zurückkehren, erklären die beiden Experten. Hilfreich sei es, das aufgebaute Defizit durch regelmäßige, 90 bis 180 Minuten lange Schläfchen zu beheben. Um sich wieder in den Alltag zu integrieren, sei es zudem ratsam, oft ans Tageslicht zu gehen, andere Menschen zu treffen und sich zu möglichst „normalen“ Zeiten ins Bett zu legen.

Eine Metaanalyse von 66 Studien spreche außerdem dafür, dass regelmäßiger Sport Schlafquantität und -qualität verbessert. Unklar bleibt jedoch, welches Ausmaß und welche Frequenz die körperliche Ertüchtigung haben sollte. 

Quelle: McKenna H, Wilkes M. BMJ 2018; online first