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Prävention und Therapie Typ-1-Diabetes: „Kannst du das wieder wegmachen?“

Autor: Antje Thiel

Mit den gesammelten Daten ließen sich bereits einige nützliche Erkenntnisse sammeln, die die Entwicklung einer personalisierten Diabetes-Therapie vorantreiben. Mit den gesammelten Daten ließen sich bereits einige nützliche Erkenntnisse sammeln, die die Entwicklung einer personalisierten Diabetes-Therapie vorantreiben. © Visual Generation – stock.adobe.com
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So sollte Forschung aussehen: Mehrere europäische Forschungs- und Behandlungseinrichtungen bündeln ihre Bemühungen, um Typ-1-Diabetes bereits im asymptomatischen Stadium zu erkennen. Aus den Erkenntnissen entwickeln sie individualisierte Maßnahmen, mit denen sich eine Manifestation zumindest hinauszögern lässt. Ihr Name: INNODIA.

Kinder, die gerade erst mit Typ-1-Diabetes diagnostiziert wurden, haben meist nur eine Frage an ihr Behandlungsteam: „Kannst du das wieder wegmachen?“ Auch wenn eine Heilung der Autoimmun­erkrankung nach wie vor nicht in Sicht ist, gibt es vielversprechende Schritte hin zu einer personalisierten Therapie, die insbesondere im Frühstadium der Erkrankung den Verlust der Betazellfunktion verlangsamt. Ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für diese Bemühungen ist das INNODIA-­Netzwerk, ein internationales Konsortium, dessen Hauptanliegen es ist, die Entstehung und individualisierte Prävention des Typ-1-Diabetes zu erforschen. Beim gleichnamigen INNODIA handelt es sich um ein gemeinsames Projekt, in dem sich Anfang 2016 Forschungseinrichtungen, Universitäten, Pharmaunternehmen und Patienten­organisationen aus ganz Europa zusammengeschlossen haben.

Ein Patientenkomitee berät das Forschungsnetzwerk

„Auch Menschen mit Diabetes selbst spielen in unserem Netzwerk eine wichtige Rolle“, betonte Professor Dr. Chantal­ Mathieu­ von der Katholischen Universität Leuven (Belgien), die das Forschungsnetzwerk gemeinsam mit Dr. Anke­ M. Schulte­ (Sanofi, Deutschland) und Professor Dr. David­ B. Dunger­, University of Cambridge (England), leitet. „Sie sind in einem beratenden Patientenkomitee vertreten und werden in vielen relevanten Fragen der einzelnen Projekte konsultiert.“

Die beteiligten Institutionen sammeln Blutproben und Daten von neu diagnostizierten Patienten mit Typ-1-Diabetes sowie deren nächsten Verwandten. Damit will man den Verlauf der Erkrankung verfolgen, neue Methoden entwerfen, um das Erkrankungsrisiko für Verwandte vorauszusagen und langfristig eine Heilungsmöglichkeit für bereits Erkrankte zu entwickeln. „Die Coronapandemie hat den Rekrutierungsprozess zwar ein wenig verlangsamt, doch insgesamt sind wir im Zeitplan“, sagte Prof. Mathieu. Im Frühjahr 2021 waren 4.816 Teilnehmende eingeschrieben, 619 von ihnen hatten die Diagnose Typ-1-Diabetes maximal sechs Wochen zuvor erhalten. Dazu Prof. Dunger: „142 Personen haben die Studie schon komplett durchlaufen.“ Im standardisierten Protokoll ist vorgesehen, zu Beginn und Ende der Untersuchung nach 24 Monaten HbA1c-Wert, Autoantikörper, C-Peptid, Betazellstatus, verschiedene Immunbiomarker und Laborwerte zu erfassen.

Lassen sich Betazellen medikamentös schützen?

Unter dem Namen INNODIA HARVEST führen die teilnehmenden Einrichtungen bereits weiterführende klinische Untersuchungen durch. So sind inzwischen mit MELD-ATG, IMPACT, VER-A-T1D und CFZ533 vier Studien gestartet, an denen jeweils zwischen 84 und 120 Personen im Alter von 5–45 Jahren teilnehmen und verschiedene Medikamente erhalten, mit denen sich die Zerstörung der Betazellen verlangsamen lassen soll. Nähere Informationen zum INNODIA-Netzwerk und den angesprochenen Studien unter www.innodia.eu

Zwei Studiengruppen unterscheiden sich beim C-Peptid

Ein Großteil dieser Parameter erheben die Forschenden zudem bei den Kontrollterminen nach drei, sechs und zwölf Monaten. Sämtliche Proben werden mit individuellen Barcodes versehen, in Zentrallaboren untersucht und in einer elektronischen Case-Report-Form (eCRF) gespeichert. Bereits jetzt zeichnen sich aufschlussreiche Erkenntnisse ab, erklärte Prof. Dunger. „Man kann die Kohorte grob in zwei Cluster aufteilen: Eine Gruppe von Patienten, bei denen sich das C-Peptid nach der Erstmanifestation kurz wieder verbessert und dann im Verlauf von zwölf Monaten nur leicht absinkt. Bei einer zweiten Gruppe fällt der C-Peptid-Spiegel im ersten Jahr sehr rasch ab.“ Dieses Phänomen lässt sich nur teilweise mit dem Antikörperstatus der Probanden erklären, führte Dr. Schulte aus. „Es gibt Menschen, bei denen man zwei verschiedene Autoantikörper nachweisen kann und bei denen es trotzdem zehn Jahre dauert, bis der Typ-1-Diabetes tatsächlich ausbricht, es ist ein sehr heterogenes Bild.“ Mit dem standardisierte Masterstudienprotokoll können die Forschenden gezielt spezielle Biomarker untersuchen. Auch Professor Dr. Thomas­ Danne­ vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin „Auf der Bult“ in Hannover zeigte sich zuversichtlich, dass man mit den bereits gewonnenen Erkenntnissen künftig personalisierte Therapien entwickeln kann. „Wir verstehen immer besser, dass es verschiedene Wege gibt, die zum Phänotyp des Typ-1-Diabetes führen können.“ Ein exaktes Biomarkerprofil könne dabei helfen, für jeden einzelnen Patienten eine passende Kombinationstherapie zu finden. „So werden wir in Zukunft Typ-1-Diabetes behandeln.“

Quelle: ATTD 2021