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Wie Sie mit Alopeziepatienten am besten umgehen

Autor: Dr. Susanne Gallus

Viele Betroffene bringt sogar völlig regulärer Haarverlust aus der Ruhe. Viele Betroffene bringt sogar völlig regulärer Haarverlust aus der Ruhe. © triocean – stock.adobe.com
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Alopezien lassen sich mittlerweile bei vielen Patienten recht gut behandeln. Während der Therapie kommt es aber auf die richtige Kommunikation an.

JAK-Inhibitoren, Minoxidil, Clascoterone, plättchenreiches Plasma, DPCP- und Lasertherapie: Es gibt viele Behandlungsoptionen bei Alopecia areata bzw. androgenetica. Zunächst müssen aber vielen Patienten ihre Ängste genommen und Kommunikationsprobleme überwunden werden, erklärte der niedergelassene Dermatologe Dr. Uwe­ Schwichtenberg­ aus Bremen.

Dabei sollte man unbedingt Aussagen vermeiden, die der Patient als Desinteresse fehlinterpretieren könnte, riet er. „Da kann man nichts machen“ oder „Da gibt’s viel Schlimmeres“ gilt es aus dem Vokabular zu verbannen. Obwohl Letzteres aus Medizinersicht durchaus zutreffen mag, versetze der Verlust der eigenen Haare viele Betroffene in einen psychischen und physischen Ausnahmezustand. Allen voran Frauen.

Gerade ein diffuser Haarausfall ist oft mehr eine Angststörung als eine Haarstörung, so Dr. Schwichtenberg. Missverständnisse seien da programmiert. Hinzu komme, dass Patientinnen ihre Haardichte nicht als Anzahl der Haare pro Quadratzentimeter messen, sondern subjektiv. Zum Beispiel darüber, wie dünn der Zopf geworden ist.

Damit seine Kollegen besser nachvollziehen können, was das mit den Betroffenen anstellen kann – er hat vor einigen Jahren selbst eine Episode diffusen Haarausfalls erlebt –, veröffentlichte der Dermatologe die Tagebucheinträge einer 51-Jährigen mit diffusem Effluvium. Diese rät er auch seinen Patienten zu lesen.

Versprechen aus dem Internet werden gerne geglaubt

So fühlte sich die Frau schon etwa vier Wochen, nachdem bei ihr die ersten Haare ausgefallen waren, nicht mehr zu alltäglichen Aufgaben in der Lage. Sie kam sich von jedem beobachtet vor und zählte zwanghaft jedes Haar, das sie verlor. Die darauffolgende soziale Isolation ging sogar so weit, dass sie es vermied, vor die Tür zu gehen, aus Furcht, der Wind könnte sie weitere Haare kosten. Solche Ängste bringen Betroffene oft dazu, ihre Haare nicht einmal mehr zu waschen, ergänzte der Referent.

Wie die 51-Jährige weiter berichtet, sucht man als Betroffene(r) krampfhaft nach Lösungen und hält Versprechungen von Internetseiten nur zu gern für wahr. Ihrer Erfahrung nach hilft es in diesem Moment zu erfahren, dass man nicht allein ist. Damals war sie Stammgast bei ihrem „Haararzt“. Zweimal pro Woche tauchte sie in dessen Praxis auf – auch wenn sie sich durch sein Verhalten gekränkt fühlte. Er habe ihr „freundlich, aber klar“ zu verstehen gegeben, dass sie sich nicht mehr rational verhalte. Denn sie stellte wiederholt immer dieselbe Frage: Wann hört das auf?

Selbst wenn Arzt und Patient Episoden wie die eben beschriebene durchgestanden haben, wartet noch ein letztes großes Problem, schloss Dr. Schwichtenberg. Durch den Haarausfall verändere sich die Erwartungshaltung der Betroffenen: Nichts darf mehr ausfallen, gar nichts. Folglich fänden viele auch den völlig regulären Haarverlust beunruhigend. Das müsse also ebenfalls auf die Gesprächsagenda, so der Experte.

Kongressbericht: Dermatologie KOMPAKT & PRAXISNAH