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Krebstherapie Tumorvakzine: Rückenwind für alte Ideen

Autor: Lara Sommer 

Welche Ansätze bieten sich als Tumorvakzine an und inwiefern erreichten Forschende bereits Erfolge? Welche Ansätze bieten sich als Tumorvakzine an und inwiefern erreichten Forschende bereits Erfolge? © arcyto – stock.adobe.com
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Obwohl der ­große Durchbruch vier Jahrzehnte lang ausblieb, haben Onkolog:innen den Traum von therapeutischen Impfstoffen nicht aufgegeben. Ein Experte lieferte einen Überblick, welche Ansätze sich anbieten und inwiefern Forschende bereits Erfolge erreichten.

Checkpoint-Inhibitoren verbessern die Prognose bestimmter Patient:innen, aber viele Betroffene profitieren nicht. Prof. Dr. ­Joshua ­Brody vom Mount Sinai Hospital in New York ergänzte: „Auch heiße Tumoren sprechen mehrheitlich nicht auf Anti-PD1 an.“ Ein effizientes Priming von ­T-Zellen erfordere mehrere kostimulatorische Signale durch ­dendritische Zellen (DCs). Diese Chance sieht der Mediziner durch tumorspezifische Immunisierungen. Dabei unterscheidet er zunächst zwischen Vakzinen mit im Voraus definierten ­Antigenen und solchen, deren genaue Zielstruktur nicht bekannt ist. 

Vakzine mit definierten ­Antigenen

Impfstoffe mit festgelegter Spezifität können verbreitete Tumorantigene targetieren, beispielsweise die prostataspezifische saure Phosphatase (PAP) oder gp100. Für Patient:innen mit kastrationsresistenten Prostatakarzinomen verbesserte Sipuleucel-T, eine PAP-gerichtete dendritische Zelltherapie, das OS gegenüber Placebo (p = 0,03). „Es gab aber nur einen geringen Vorteil durch eine so komplexe, individuell angefertigte Behandlung, im Kontext von zeitgleich entwickelten Therapien, die sich einfacher anwenden ließen“, erklärte der Referent den geringen Einsatz. Das peptidbasierte gp100-Vakzin erreichte gegen fortgeschrittene Melanome einen PFS-Vorteil (p = 0,008) und verfehlte die Signifikanz für das Gesamtüberleben nur knapp (p = 0,06). In der Studie kombinierten die Forschenden es allerdings mit hoch dosiertem IL-2, welches schwere Nebenwirkungen hervorruft.

„Eine offensichtliche Limitation ist, dass sie alle auf ein einzelnes Antigen abzielen, was das Risiko für ein Antigen Escape erhöht“, bilanzierte der Experte. In ­ATALANTE-1 testeten Wissenschaftler:innen ein pentavalentes Vakzin gegen ­NSCLC. Insgesamt erwiesen sich die Studienergebnisse nicht als positiv. 80 Patient:innen einer CPI-refraktären Subgruppe, die die Prüfbehandlung erhielten, hatten hingegen im Vergleich zur Chemotherapie-Kontrolle bessere Überlebensaussichten (HR 0,43; p = 0,006). „Das ist kein Erfolg, sondern ein aufregender, hypothesengenerierender Befund“, ordnete Prof. ­Brody ein.

Unabhängig davon erzielten Behandelnde in jüngster Zeit Erfolge mit Immunisierungen, die sich gegen individuelle Neoantigene richten: „Sie sind etwas komplex und ressourcenintensiv, aber es ist etwas, das wir tun können.“ So blieben in einer Phase-2-Studie mit Pembrolizumab plus einem solchen Impfstoff mehr Melanompatient:innen 18 Monate lang rezidivfrei (78,6 % vs. 62,2 % mit CPI allein; HR 0,561; p = 0,0266). Ergebnisse einer kleinen Studie zur adjuvanten Therapie von Pankreaskarzinomen stützten den Ansatz ebenfalls. „Diejenigen, die eine gute T-Zell-Antwort gegen den Tumor zeigten, hatten ein vielversprechendes rezidivfreies Überleben“, fasste der Kollege zusammen.

Strategien für Tumorvakzine

Impfstoffe mit festgelegtem Antigen:

  • gemeinsame Zielstruktur
  • individuelles Target

„Anonyme“ Vakzine mit ­unbekannter Zielstruktur auf Basis von Tumor­material:

  • Antigenexposition im Labor
  • Antigenexposition in situ

„Anonyme“ Vakzine

Bei den Vakzinen ohne vorgegebene Zielstruktur differenziert der Onkologe, ob die Antigenexposition der Immunzellen im Labor oder im menschlichen Körper erfolgt. In die erste Kategorie fiel eine Melanom-Studie, bei der er darauf verwies, wie wenige Teilnehmende letztendlich ein Präparat erhalten konnten (42 von 188). Hinsichtlich der Ergebnisse fügte der Experte hinzu: „Sie ist ein wenig ein Proof of Concept dafür, dass Immunisierungen auf Basis dendritischer Zellen möglicherweise besser sind als ­tumorzellbasierte Impfstoffe, die nur ein Signal vermitteln.“ Ein anderes Ex-vivo-Vakzin habe objektive Lymphom-Remissionen erreicht, und einige Patient:innen sprachen lang anhaltend an. Er erinnerte jedoch erneut an die logistischen Schwierigkeiten, die mit der Herstellung einhergehen.

Der Referent selbst bevorzugt einen Ansatz, der die dendritischen Zellen im Körper der Erkrankten stimuliert. Dieser beinhaltet drei Komponenten:

  • Flt3L* zur Mobilisierung von DCs
  • niedrig dosierte RT für Antigen-freisetzung aus dem Tumor
  • TLR**-Agonist zur Aktivierung der DCs

Diese Behandlung erreichte bei einer Betroffenen mit fortgeschrittenem Lymphom eine Regression fast aller Herde. „Wir haben auch andere Patient:innen mit gutem Ansprechen, das teilweise Monate oder sogar Jahre anhielt“, betonte Prof. ­Brody. Die Vakzinierung habe die Infiltration von CD8+ T-Zellen ins Tumorgewebe verbessert. Dies beobachtete er nicht nur in der behandelten Läsion, sondern auch fern der Injektionsstelle.

Die Effizienz des Verfahrens lässt sich mittels einer Checkpoint-­Inhibition weiter verbessern: „Statt durch das Vakzin allein etwa die Hälfte der Mäuse zu heilen, heilen wir mit der Addition eines PD1-Inhibitors ungefähr 90 %.“ In einer laufenden Studie behandelte das Team bereits einzelne Erkrankte, die an fortgeschrittenen Mammakarzinomen oder Non-Hodgkin-­Lymphomen litten, mit einer Kombination aus der In-situ-Immunisierung und Pembrolizumab. Dabei erzielten sie mehrere systemische Remissionen.

*    Fms-related tyrosine kinase 3 ligand
**    Toll-like Receptor

Quelle:
Brody J. ESMO Immuno-Oncology Congress 2023; Vortrag „Cellular vaccination“