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Diabetes Zwei Typen sind nicht genug

Autor: Dr. Anja Braunwarth

Die Nephropathie durch die Fettniere spielt mit Inflammation und Insulinresistenz aus der Fettleber zusammen, die Insulinsekretionsstörung aus dem Fettpankreas rundet das Ganze ab. In der Gesamtheit mündet es in Hyperglykämie und schlussendlich in den Diabetes. Die Nephropathie durch die Fettniere spielt mit Inflammation und Insulinresistenz aus der Fettleber zusammen, die Insulinsekretionsstörung aus dem Fettpankreas rundet das Ganze ab. In der Gesamtheit mündet es in Hyperglykämie und schlussendlich in den Diabetes. © Minerva Studio – stock.adobe.com
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Die Einteilung in Typ 1 und Typ 2 scheint beim Diabetes nicht auszureichen. Berücksichtigt man mehrere Faktoren zur Entstehung und zum Verlauf der Erkrankung, ergeben sich viel mehr Subgruppen. Dies könnte schon im prädiabetischen Stadium von Bedeutung sein.

Die neue Einteilung des Diabetes mellitus in Subtypen orientiert sich an einer Reihe von Faktoren, die auf die Erkrankung in unterschiedlichem Maße Einfluss nehmen, erklärte Dr. ­Oana-­Patricia ­Zaharia von der Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. Dazu gehören:

  • Alter zu Krankheitsbeginn
  • Übergewicht
  • Immunstatus
  • genetische Vorbelastung
  • entzündliche Vorgänge
  • Betazellfunktion
  • Bedarf einer Insulintherapie

Der klassische Typ-1-Diabetes fällt weiterhin klar unter die Kategorie Autoimmunerkrankung. Finden sich Antikörper gegen Glutamatdecarboxylase, spricht man auch von einem schweren autoimmunen Diabetes (severe autoimmune diabetes, SAID).

Beim bisherigen Typ 2 gibt es inzwischen Clustereinteilungen, die sich nach dem Phänotyp richten:

  • schwerer insulindefizienter Dia­betes (severe insulin-deficient diabetes, SIDD)
  • schwerer insulinresistenter Dia­betes (severe insulin-resistant diabetes, SIRD)
  • milder/moderater altersabhängiger Diabetes (mild/moderate age-related diabetes, MARD)
  • milder/moderater übergewichtsabhängiger Diabetes (mild/moderate obesity-related diabetes, MOD)

In der Deutschen Diabetes-Studie werden Faktoren untersucht, die den Verlauf der Erkrankung beeinflussen. Die Teilnehmer sind sowohl frisch diagnostizierte Diabetiker als auch gesunde Kontrollpersonen. Ziel ist es, sie metabolisch zu phänotypisieren (z.B. über Tests zu Insulinsekretion/-sensitivität, Glukosetoleranz), Komplikationen zu identifizieren und das Risiko für einen Progress zu erfassen.

Komplikationen unterscheiden sich abhängig vom Cluster

In einer Zwischenauswertung von 1.105 Patienten dominierte mit 35 % der Typ MARD, gefolgt vom MOD mit 29 %. 22 % hatten einen SAID, 12 % einen SIRD und nur 2 % einen SIDD. Die Analyse von Komplika­tionen im ersten Jahr ergab, dass Nephro­pathien vor allem Patienten mit SIRD und MARD betrafen, distale sensorimotorische und kardiale autonome Neuropathien in erster Linie diejenigen mit SIDD.

Unter einer erektilen Dysfunktion litten vor allem Männer mit SIRD, SIDD und MARD. Im Vergleich zu allen anderen Gruppen hatten SAID-Patienten das geringste kardio­vaskuläre Risiko. Bei Menschen mit SIRD ließ sich eine genetische Veranlagung für lipotoxische Vorgänge und eine erhöhte Neigung zur nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung nachweisen. Die Forscher hoffen, dass diese Ergebnisse zu einer Präzisierung der individuellen Therapieoptionen beitragen.

Es gibt auch laborchemische Unterschiede zwischen den Subgruppen, berichtete Prof. Dr. phil. nat. ­Christian ­Herder, Institut für Klinische Diabetologie am Deutschen Diabetes-Zentrum in Düsseldorf. SIRD-Patienten haben z.B. die höchsten Werte für Biomarker der Inflammation, Leukozyten, Neutrophilen/Lymphozyten-Ratio und CD4-/CD8-T-Zell-Verhältnis. Die Unterschiede in den inflammatorischen Prozessen können sich auf das Risiko für Folgeerkrankungen auswirken. 

Von den sechs Clustern beim Prädiabetes sind drei riskant

Die Einteilung in Cluster hat schon im prädiabetischen Stadium Bedeutung, erklärte Prof. Dr. ­Andreas ­Fritsche von der Inneren Medizin IV am Universitätsklinikum Tübingen. Für diese Phase wurden abhängig von Gewicht und Stoffwechsel­situation sechs Cluster definiert, die folgenden drei gehen mit erhöhten Risiken einher:

Cluster 3 ist gekennzeichnet durch Betazellversagen, Übergewicht, mäßig erniedrigte Insulinsensitivität, niedrige Insulinsekretion und hohes genetisches Risiko. Betroffene tragen ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und die Entwicklung eines Diabetes.

Cluster 5 ist charakterisiert durch  Insulinresistenz, Fettleber, Adipositas, sehr niedrige Insulinsensitivität und niedrige Sekretion. Er geht ebenfalls mit hohem kardiovaskulärem und Diabetesrisiko einher sowie einer hohen Mortalitätsgefahr.

Cluster 6 weist viel viszerales und renales Fett, Adipositas, eine geringe Insulinsensitivität und mäßig verminderte Sekretion auf. Betroffene entwickeln sehr viel seltener einen Diabetes, dafür aber gehäuft Nephropathien, das Mortalitätsrisiko ist hoch. Die Niere gerät also in Gefahr, ohne dass ein Diabetes besteht. Prof. Fritsche riet, Insulinresistenten frühzeitig nephropathievorbeugende Maßnahmen anzubieten, z.B. über intensive Lebensstilinterventionen.

Großen Anteil am Risikoprofil haben Fettanlagerungen um die Organe. Bei Cluster 5 scheitern bspw. präventive Bemühungen, die Insulinsekretion zu verbessern, am hohen Leberfett. Renales Fett ist mit einer Albuminurie assoziiert, viel Pankreasfett trägt zum erhöhten Diabetesrisiko bei. Und es gibt einen Organ Crosstalk: Die Nephropathie durch die Fettniere spielt mit Inflammation und Insulinresistenz aus der Fettleber zusammen, die Insulinsekretionsstörung aus dem Fettpankreas rundet das Ganze ab. In der Gesamtheit mündet es in Hyperglykämie und schlussendlich in den Diabetes.

Quelle: Kongressbericht Diabetes Herbsttagung 2022