Anzeige

Stroke Unit Beim Schlaganfall ist ein Expertenteam gefragt

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Links im Bild: Dieser ischämische Infarkt der A. cerebri media ist nach fünf Stunden gut erkennbar. (Agenturfoto) Links im Bild: Dieser ischämische Infarkt der A. cerebri media ist nach fünf Stunden gut erkennbar. (Agenturfoto) © Science Photo Library / Zephyr; highwaystarz – stock.adobe.com
Anzeige

Bei Verdacht auf einen ischämischen Schlaganfall gilt es, so viel Hirngewebe zu retten wie möglich. Das bedeutet: ab mit dem Patienten in die Stroke Unit. Für die Kollegen dort stehen immer bessere Möglichkeiten für Akuttherapie und Sekundärprophylaxe zur Verfügung.

Am Anfang der Schlaganfalltherapie steht die Wahl der richtigen Klinik. Patienten mit Verdacht auf einen Insult müssen per Rettungsdienst der nächstgelegenen Stroke­ Unit zugewiesen werden. Falls ein Großgefäßverschluss vermutet wird, ist es wichtig, sie schnellstmöglich zu einem neurointerventionellen Zentrum zu transportieren. In der Akutbehandlung gilt nach wie vor das Time-is-Brain-Prinzip, betonen PD Dr. Hans Worthmann­ und Kollegen von der Medizinischen Hochschule Hannover. Es muss also umgehend geprüft werden, ob eine rekanalisierende Behandlung möglich ist, um die noch nicht geschädigte Penumbra zu retten.

Patienten mit akutem ischämischen Insult werden nach Ausschluss von Kontraindikationen (z.B. gerinnungshemmende Medikation) üblicherweise mit einer intravenösen Thrombolyse (IVT) behandelt. Diese Therapieform wirkt bei über 80-Jährigen ebenso gut wie bei jüngeren Patienten. Das Zeitfenster für die IVT schließt sich normalerweise nach viereinhalb Stunden. Wenn  seit Symptombeginn viereinhalb bis neun Stunden vergangen sind oder Unklarheit über den Zeitpunkt des Insults herrscht, kann eine erweiterte Bildgebung mittels CT- oder MR-Perfusion erfolgen, um die Indikation für die Lyse stellen zu ­können.

Ultima Ratio bei Hirnkompression

Bei Verschlüssen des Mediahauptstamms oder der A. carotis interna droht ein großer raumfordernder Infarkt. Zur Verbesserung des klinischen Resultats und zur Minderung der Sterblichkeit wird für Patienten im Alter bis 60 Jahre eine dekompressive Hemikraniektomie mit Duraerweiterung in den ersten 48 Stunden empfohlen. Auch ältere Patienten können profitieren, haben aber ein erhöhtes Risiko für eine schwere Behinderung.

Die mechanische Rekanalisierung von Großgefäßen mittels endovaskulärer Therapie (EVT) steht in überregionalen zertifizierten Stroke­ Units rund um die Uhr zur Verfügung. Sie erfolgt mittels Stent Retriever­ oder Aspiration. Mittlerweile liegt für diese Techniken ausreichende Evidenz bei der Rekanalisierung von A. cerebri media, A. carotis interna und A. basilaris vor. Die Thromb­ektomie soll innerhalb von sechs Stunden erfolgen. Im vorderen Stromgebiet gilt ein Zeitfenster bis zu 24 Stunden, wenn sich ein Mismatch zwischen Kerngebiet und Penumbra nachweisen lässt.

Auch eine Kombination von intravenöser Thrombolyse und endo­vaskulärer Therapie wird in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie empfohlen. Dieses Bridging­ sollte aber die EVT nicht hinauszögern, betonen die Autoren. Eventuell muss man den Patienten nach Einleiten der Lyse für die ­endovaskuläre Therapie in eine andere Klinik verlegen.

Antikoagulation bei VHF senkt Embolierisiko um 60–70 %

Die Sekundärprävention richtet sich nach der Ätiologie des ischämischen Schlaganfalls. Zur Prävention kardialer Embolien bei Vorhofflimmern (VHF) eignet sich die orale Antikoagulation am bes­ten. Sie reduziert das Risiko um 60–70 %. Zur Behandlung von Patienten mit nicht-valvulärem VHF und durchgemachtem Hirninsult werden NOAK­ empfohlen. Bei wesentlich geringerer Blutungsgefahr sind sie mindestens ebenso wirksam wie Vitamin-K-Antagonisten und sollten auch zur Primärprävention bei nicht-valvulärem Flimmern und hoher Wahrscheinlichkeit für einen Schlaganfall den Vorzug erhalten (CHA2DS2-VASc-Score ≥ 2 für Männer, ≥ 3 für Frauen). Die Behandlung muss dauerhaft durchgeführt werden, ein Absetzen führt bei Patienten mit VHF zu einem zwei- bis dreifach erhöhten Risiko für einen erneuten Schlaganfall.

Prävention nach transitorischer ischämischer Attacke

Zwei internationale Studien, CHANCE und POINT, haben den Nutzen einer frühen (≤ 24 h) dualen Plättchenhemmung mit ASS und Clopidogrel über 90 Tage ermittelt. Teilnehmer waren Patienten mit einer transitorischen ischämischen Attacke mit hohem Risiko oder einem Insult mit geringem Defizit.

Die duale Therapie verringerte die Wahrscheinlichkeit für eine erneute Ischämie deutlich, führte aber zu mehr schweren Hämorrhagien (Hazard Ratio 2,32). Der präventive Effekt war in den drei Wochen nach dem primären Ereignis am stärksten. Demnach kann die Zweifachtherapie über 21 Tage bei besonders ischämiegefährdeten Patienten ohne erhöhtes Blutungsrisiko erwogen werden, schreiben Dr. Worthmann und Kollegen. Besonders profitieren Personen mit nachgewiesener Emboliequelle.

Umstritten ist der optimale Zeitpunkt für den Beginn der Gerinnungshemmung. Zwei kürzlich publizierte Studien zeigen, dass ein früher Start die Gefahr für ischämische Ereignisse deutlich senkt, ohne dass es zu mehr Hämorrhagien kommt. Einzelne besonders blutungsgefährdete Patienten profitieren möglicherweise von einem Verschluss des Vorhofohrs.

Zur Sekundärprävention bei symptomatischen Stenosen der A. carotis interna gibt es zwei wirksame Verfahren: die operative Rekanalisation und die interventionelle Stent­angio­plastie. Die Thrombendarteri­ektomie hochgradiger Stenosen der A. carotis interna (≥ 70 %) halbiert das relative Risiko für erneute Insulte und transitorische ischämische Attacken (RR 0,52). Patienten mit einer Lumeneinengung von weniger als 50 % profitieren nicht.

Eine Nachbeobachtung über zehn Jahre ergab hinsichtlich vaskulärer Rezidive keinen bedeutsamen Unterschied zwischen stentgestützter und chirurgischer Therapie. In der Praxis wird die Operation bei symptomatischer Stenose meist bevorzugt, bei OP-Kontraindikationen setzt man eher auf den Stent. Die Endarteriektomie sollte möglichst früh, also innerhalb von 14 Tagen nach dem Ereignis, erfolgen.

Bei Karotisstenose ohne Symptome keine Intervention

Symptomfreie Patienten mit Stenose der A. carotis interna werden überwiegend konservativ behandelt. Mit bestmöglicher Medikation und gesundem Lebensstil lassen sich ähnlich niedrige Schlaganfallraten erzielen wie mit Operation oder Stent. Auch für symptomatische intrakranielle Verengungen bleibt die Pharmakotherapie erste Wahl. Im klinischen Alltag hat sich die duale Hemmung der Thrombozytenaggregation über 90 Tage mit nachfolgender ASS-Mono­therapie bewährt.

Bei embolischen Insulten unklarer Ursache wird weiterhin eine Sekundärprophylaxe mit ASS empfohlen. Studien zur Antikoagulation mit NOAK­ konnten keinen Vorteil ermitteln. Bestehen Risikofaktoren für ein VHF, raten die Autoren zu wiederholten Langzeit-EKG, ggf. zu einem kardialen Ereignisrekorder. Patienten im Alter zwischen 16 und 60 Jahren mit kryptogenen Schlaganfällen und persistierendem Foramen ovale sollten einen Verschluss der Öffnung erhalten, wenn ein moderater oder ausgeprägter Rechts-Links-Shunt besteht.

Quelle: Worthmann H et al. Innere Medizin 2023; 64: 1143-1153; DOI: 10.1007/s00108-023-01622-x