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Hypoglossus-Stimulation hilft bei schwerer Schlafapnoe

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Bei der beidseitigen Hypoglossus-Stimulation wird nur eine zweiflügelige Elektrode implantiert. Bei der beidseitigen Hypoglossus-Stimulation wird nur eine zweiflügelige Elektrode implantiert. © Verse T, Wiest G. Hamburger Ärzteblatt 2021; 75: 12-16 © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg
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Für die Schlafapnoe gibt es immer mehr Therapiemöglichkeiten. In schweren Fällen kann eine Hypoglossus-Stimulation die Maske ersetzen. Für die neueste Variante muss sich der Patient nur noch abends einen kleinen Puls­generator auf das Kinn kleben.

Die Symptome des obstruktiven Schlafapnoesyndroms (OSAS) reichen von Tagesschläfrigkeit bis zur Impotenz (s. Kasten). Noch weitgehend unterschätzt werden die kognitiven Einbußen. Im Straßenverkehr tragen Betroffene ein drei- bis siebenfach erhöhtes Unfallrisiko. Therapeutisch stehen Allgemeinmaßnahmen wie Gewichtsabnahme, Alkoholkarenz und Schlafhygiene an erster Stelle, schreiben Professor Dr. Thomas­ Verse­ und Privatdozent Dr. Gunther­ Wiest­ vom Asklepios Klinikum Harburg.

In mehr als 60 % der Fälle treten die Atempausen überwiegend in Rückenlage auf. Mit Spezialwesten oder Vibrationsgeräten mit Lage­sensor kann man dem Patienten diese Schlafposition abgewöhnen. Zur Behandlung leichter bis mittelschwerer Formen des OSAS eignen sich Pro­trusionsschienen, die den Unterkiefer nach vorne verlagern und so den Abstand zwischen Zungengrund und Rachenwand vergrößern.  Die Erfolgsrate erreicht bei korrekter Indikation etwa 70 %, ausgeprägte Fälle erfordern meist eine Kombination mit anderen Verfahren. 

Acht Mittel gegen obstruktive Schlafapnoe

  • nachhaltige Gewichtsabnahme
  • (abendliche) Alkoholkarenz, Verzicht auf Nikotin
  • Absetzen OSAS-fördernder Medikamente (z.B. Sedativa)
  • Verzicht auf voluminöse Abendmahlzeiten und körperliche Anstrengung vor der Nachtruhe
  • Pufferzone zwischen Alltag und Schlafenszeit
  • ruhige, angenehme Schlafumgebung
  • ausreichende Schlafzeit, regelmäßige Zubettgeh- und Aufstehzeit
  • Vermeiden von Schichtarbeit

Die nächtliche Überdruckbeatmung gilt nach wie vor als überlegene Therapieform für alle Schweregrade. Über eine Mund- oder Mund-Nasen-Maske wird ein positiver Druck in den Pharynx appliziert, der zu einer pneumatischen Schienung der Atempassage führt. Die Folge ist eine deutliche Reduktion von Symptomen und kardiovaskulärem Risiko. Adipöse Patienten können von einer bariatrischen Operation profitieren. Diese vermag neben dem BMI auch das Schlafapnoesyndrom zu bessern. Nasenoperationen kommen vor allem in Betracht, wenn es Probleme mit der Ventilationstherapie gibt oder der Patient unter starker Tagesmüdigkeit leidet. Die Eingriffe können Schlaf- und Lebensqualität erheblich steigern, haben aber keinen Einfluss auf den Apnoe-Hypopnoe-Index.  Eine gezielte Therapiemöglichkeit bietet die Gaumenoperation. Dabei werden zwei Formen unterschieden: 
  • Die Uvulopalatoplastik (UPP) ist eine Option für einfache Schnarcher und Patienten mit leichtem OSAS. Dabei wird überschüssige Schleimhaut von Zäpfchen und weichem Gaumen entfernt. 
  • Die Uvulopalatopharyngoplastik (UPPP) ist als Therapie des reinen Schnarchens zu invasiv. Sie eignet sich aber zur Behandlung der OSAS. Die Operation sollte, wenn möglich, mit einer Tonsillektomie kombiniert werden. 

Hyperplastische Tonsillen am Zungengrund operieren

Dadurch lässt sich die Erfolgsrate verdoppeln. Die Hamburger HNO-Ärzte bevorzugen eine Modifikation, die Relocation-UPPP, mit der sich der Atemweg auch nach lateral erweitern lässt. Die früher durchgeführte Entfernung der Uvula ist heute obsolet. Auch hyperplastische Zungengrundtonsillen können operativ entfernt werden. Die Nachblutungsrate ist gering, aber Dysphagie und Schluckschmerzen erfordern einen mehrtägigen stationären Aufenthalt. Eine minimal-invasive Option für schnarchende Patienten ohne Schlafapnoe ist die Radiofrequenztherapie. Sie versteift das Gaumensegel durch eine gezielte intramuskuläre Vernarbung. Dem gleichen Zweck dienen Implantate, die in die Muskulatur des Weichgaumens eingebracht werden.  Zu den neuen Ansätzen in der OSAS-Therapie zählt die Hypoglossus-Stimulation (HGS), für die es inzwischen drei Systeme gibt. Standard ist mit mehr als 10 000 Implantationen die einseitige atemsynchrone Stimulation mit drei implantierbaren Komponenten: Die Cuff-Elektrode wird um die Äste des 12. Hirnnerven gelegt, die den Atemweg durch eine Vorverlagerung der Zunge öffnen. Der Pulsgenerator kommt rechts subklavikulär zu liegen und der Sensor zur Detektion der Einatmung zwischen den Rippen. Stimuliert wird nur während der  Inspiration.  Für die kontinuierliche HGS benötigt­ man keinen Sensor und somit nur zwei Inzisionen. Die Cuff-Elektrode besteht aus sechs Einzel­elektroden, die am Hauptstamm des N. hypoglossus angebracht werden, was die Implantation vereinfacht. Das System stimuliert zwar dauerhaft. Durch Wechsel zwischen den Teil­elektroden spricht es aber nacheinander unterschiedliche Muskelgruppen an.  Das neueste System stimuliert beidseitig. Implantiert wird nur eine zweiflügelige, flächige Elektrode über dem M. genioglossus. Den Pulsgenerator klebt sich der Patient abends mit einem Pflaster auf das Kinn. Derzeit ist die Hypoglossus-Stimulation nur als Zweit- oder Drittlinientherapie indiziert, wenn eine Behandlung mit Überdruckventilation scheitert oder ein Therapieversuch abgebrochen wird. 

Floppy epiglottis immer häufiger diagnostiziert

Laryngeale Ursachen für eine Schlafapnoe sind eher selten. Dennoch wird die sogenannte „floppy epiglottis“ zunehmend häufiger dia­gnostiziert. Sie kann transoral laserchirurgisch durch Kürzen des freien Kehldeckels beseitigt werden. Bei OSAS-Patienten mit Fehlbildungen von Ober- und Unterkiefer haben Umstellungsosteotomien eine hohe Erfolgsrate.

Quelle: Verse T, Wiest G. Hamburger Ärzteblatt 2021; 75: 12-16 © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg

Symptome des OSAS

  • Schnarchen und nächtliche Atempausen
  • Tagesschläfrigkeit
  • Erwachen mit Kopfschmerzen bzw. Mundtrockenheit
  • Nykturie
  • kognitive Einschränkung, depressive Verstimmung
  • erektile Dysfunktion
  • unruhiger Schlaf, Nachtschweiß
Intraoperativ wird die Cuff-Elektrode um den Hauptstamm des Nervus hypoglossus geschlungen. Intraoperativ wird die Cuff-Elektrode um den Hauptstamm des Nervus hypoglossus geschlungen. © Verse T, Wiest G. Hamburger Ärzteblatt 2021; 75: 12-16 © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg
Intraoperativ wird die Cuff-Elektrode um den Hauptstamm des Nervus hypoglossus geschlungen. Intraoperativ wird die Cuff-Elektrode um den Hauptstamm des Nervus hypoglossus geschlungen. © Verse T, Wiest G. Hamburger Ärzteblatt 2021; 75: 12-16 © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg
Für die atemsynchrone Hypoglossus-Stimulation müssen einzelne Äste des Nerven präpariert werden. Für die atemsynchrone Hypoglossus-Stimulation müssen einzelne Äste des Nerven präpariert werden. © Verse T, Wiest G. Hamburger Ärzteblatt 2021; 75: 12-16 © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg