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Myelodysplastisches Syndrom: TP53-Mutationslast und weitere Anomalien beeinflussen MDS-Prognose

Autor: Josef Gulden

Die Prognose wird nicht nur durch die TP53-
Mutation per se, sondern durch weitere
Faktoren, v.a. die TP53-Mutationslast und den übrigen genetischen Kontext beeinflusst. Die Prognose wird nicht nur durch die TP53- Mutation per se, sondern durch weitere Faktoren, v.a. die TP53-Mutationslast und den übrigen genetischen Kontext beeinflusst. © iStock/alex-mit
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TP53-Mutationen sind häufig bei myelodysplastischen Syndromen, einer heterogenen Gruppe myeloider Störungen. Aber auch weitere Faktoren wie ein komplexer Karyotyp bestimmen die Prognose. Das legt eine aktuelle Untersuchung nahe.

Bei etwa jedem achten bis zehnten Patienten mit myelodysplastischem Syndrom (MDS) finden sich in den malignen Blutzellen Mutationen im Tumorsuppressor-Gen TP53. Diese sind mit einer schlechteren Prognose, einem höheren Transformationsrisiko und einem schlechteren Ansprechen auf die derzeit verfügbaren Therapien assoziiert. Die meisten TP53-Mutationen sind in der DNA-Bindungsdomäne des Proteins lokalisiert, aber sie können prinzipiell im gesamten Gen auftreten und sogar in einer kompletten Deletion bestehen.

Transformationsrisiko unter die Lupe genommen

Die Klongröße der TP53-Mutation, d.h. die Frequenz des veränderten Allels (VAF), scheint die Prognose zu beeinflussen. Außerdem dürfte der Mutationstyp sich unterschiedlich auf die Funktion des Proteins auswirken. Unklar ist bislang, welche Rolle Typ, Anzahl und Größe der TP53-Mutationen sowie Anomalien des Karyotyps und zusätzliche genetische Mutationen für die Prognose der Patienten und das Transformationsrisiko spielen. Deshalb selektierten Professor Dr. ­Guillermo Montalban-Bravo, MD Anderson Cancer Center, Houston, und Kollegen aus einer Kohorte von 938 MDS-Patienten 261 Personen mit TP53-Mutationen, um die genannten Fragen im Detail zu untersuchen.

Die Patienten in dieser Subgruppe waren median 68 Jahre alt und 217 von ihnen (83 %) wiesen einen komplexen Karyotyp auf. Die mediane Allelfrequenz von TP53-Mutationen betrug 0,39 (0,01–0,94); je höher sie war, desto schlechter war das Ansprechen auf hypomethylierende Agenzien (HMA). Bei kompletter Deletion eines TP53-Allels war die Chance eines Ansprechens signifikant um 70 % vermindert (Odds Ratio 0,3; p = 0,021).

Bei 63 der 261 Patienten (24 %) wurde eine Transformation zu einer akuten myeloischen Leukämie (AML) beobachtet. In einer univariaten Analyse waren die Anzahl verschiedener TP53-Mutationen (HR 2,03; p < 0,001), ihre Allelfrequenz (HR 1,02 Anstieg pro 1 % VAF-Zunahme; p < 0,001), das Vorliegen einer TP53-Deletion (HR 2,10; p < 0,001) sowie der Nachweis eines komplexen Karyotyps (HR 2,58; p < 0,001) mit einer kürzeren Zeit bis zur Transformation assoziiert.

In eine multivariate Analyse ging auch die revidierte Version des International Prognostic Scoring System (IPSS-R) ein. Nach dieser Auswertung blieb nur die Allelfrequenz der TP53-Mutationen als unabhängiger prädiktiver Faktor für transformationsfreies Überleben übrig (HR 1,02 Anstieg pro 1 % VAF-Zunahme; p = 0,005), schreiben die Wissenschaftler.

Mit einer Verschlechterung des Gesamtüberlebens waren in einer univariaten Analyse TP53-Mutationen (HR 4,8; p < 0,001), Deletionen (HR 3,7; p < 0,001) und ein komplexer Karyotyp (HR 5,0; p < 0,001) etwa im gleichen Ausmaß assoziiert. Auch die TP53-Allelfrequenz korrelierte mit einer signifikanten Verschlechterung der Prognose (HR 1,02 Anstieg pro 1 % Erhöhung der VAF; p < 0,001).

Vier prognostische Subgruppen konnten identifiziert werden

Brachte man die TP53-VAF und die Kategorien des revidierten IPSS in ein multivariates statistisches Modell ein, so ließen sich damit vier prognostische Subgruppen identifizieren. Diese unterschieden sich deutlich bezüglich ihrer Überlebens­chancen: In der günstigsten Gruppe war die mediane Überlebenszeit noch nicht erreicht, in den drei weiteren Gruppen lag sie bei 42,2 Monaten, 21,9 Monaten bzw. 9,2 Monaten. Ganz ähnlich beeinflussten diese Parameter auch das rezidivfreie sowie das transformationsfreie Überleben.

Diese Daten belegen, dass MDS-Patienten mit TP53-Mutationen eine sehr heterogene Prognose aufweisen und dass die Transformation zu einer AML und die Mortalität dieser Patienten nicht nur durch die TP53-Mutation per se, sondern durch weitere Faktoren, v.a. die TP53-Mutationslast und den übrigen genetischen Kontext beeinflusst werden, so die Autoren. Darunter können auch genetische Anomalien sein, die man bereits heute therapeutisch adressieren kann, sodass eine umfassende genetische Charakterisierung von MDS-Patienten bereits bei Dia­gnose dringend zu empfehlen sei.

Quelle: Montalban-Bravo G et al. Blood Adv 2020; 4: 482-495; DOI: 10.1182/bloodadvances.2019001101