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Nephropathie: Risiko durch Kontrastmittel wesentlich geringer als bisher angenommen

Autor: Michael Brendler

Der erste Fall einer kontrastmittelinduzierten Nierenschädigung wurde nach einer Urographie beschrieben. Der erste Fall einer kontrastmittelinduzierten Nierenschädigung wurde nach einer Urographie beschrieben. © iStock/luismmolina; wikimedia/Glitzy queen00
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Seit über 60 Jahren gelten Röntgenkontrastmittel als eine der häufigsten Ursachen für akute Nierenschäden – fälschlicherweise, wie allmählich klar wird. Der jahrzehntelange Irrtum dürfte dem ein oder anderen Patienten sogar geschadet haben.

Eine akute Nierenschädigung nach Kontrastmittelgabe wurde erstmals im Jahr 1954 im Zusammenhang mit einer intravenösen Pyelographie beschrieben. Es folgten mehr als 3000 Publikationen zum Thema, wie Dr. Matthias Diebold und Privatdozent Dr. Andreas D. Kistler berichten. Fortan galt die kontrastmittelinduzierte Nephropathie als die dritthäufigste Ursache einer akuten Nierenschädigung. Ihre Inzidenz wurde auf 4,4 % bis 25 % geschätzt, in einigen Studien gar auf 50 %, schreibt das Autorenduo von der Medizinischen Klinik des Kantonsspitals Frauenfeld.

Gerade bei vorliegenden Risikofaktoren – große Kontrastmittelmenge, chronische Niereninsuffizienz, verminderte renale Perfusion aufgrund von Herzinsuffizienz, Hypovolämie und NSAR-Einnahme, um nur einige zu nennen – war man seitdem mit Bildgebung und Therapien ausgesprochen zurückhaltend. Oder man versuchte, das Risiko durch prophylaktische Maßnahmen zu senken, etwa mithilfe von N-Acetylcystein oder durch eine Hydratisierung mit isotonischer Kochsalzlösung oder Natriumbicarbonat.

Hydratisierung ausschließlich für hypovoläme Patienten

Einen Gefallen, schreiben Dr. Diebold und PD Dr. Kistler, habe man den Patienten damit wohl nur selten getan. Denn vielen von ihnen hätte man die indizierten Bildgebungen und Interventionen vorenthalten oder eine unnötige Prophylaxe durchgeführt. „Die Daten sprechen klar dafür, dass das Risiko einer akuten Niereninsuffizienz – verursacht durch intravenöse Kontrastmittelgabe – wesentlich geringer ist als bisher angenommen“, so die Nephrologen. Eine retrospektive Analyse von 157 139 Patienten, die ein CT von Becken, Abdomen oder Thorax bekommen hatten, zeigte zum Beispiel, dass die entsprechenden Nierenprobleme gleich häufig auftraten. Egal, ob die Probanden zuvor mit oder ohne Kontrastmittel vorbereitet worden waren. Ähnliche Befunde fanden sich retrospektiv auch auf Notfallstationen oder in den Datensätzen des Nationwide Inpatient Sample der USA. Da Patienten mit chronischen Nierenschäden in all diesen Untersuchungen unterrepräsentiert waren, raten die Autoren jedoch bei dieser Patientengruppe weiter zur Vorsicht.

Bei normaler und mittelgradig eingeschränkter Nierenfunktion könne man in Zukunft aber ohne große Bedenken Kontrastmittel einsetzen, schreiben sie. Auch auf eine Prophylaxe könne man in diesen Fällen verzichten, da diese in der Regel weitgehend nutzlos sei. Bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz empfehlen die Autoren allerdings, bei nicht dringlicher Indikation über alternative Bildgebungsverfahren nachzudenken. Fehlt die Alternative, könne man aber das geringe Risiko der Kontrastmittelgabe eingehen. Eine intravenöse Hydratisierung als Prophylaxe wiederum sollte ausschließlich bei hypovolämen Patienten erfolgen.

Quelle: Diebold M, Kistler AD. Ther Umsch 2018; 75: 359-364

Der erste Fall einer kontrastmittelinduzierten Nierenschädigung wurde nach einer Urographie beschrieben. Der erste Fall einer kontrastmittelinduzierten Nierenschädigung wurde nach einer Urographie beschrieben. © wikimedia/Glitzy queen00