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Welche Faktoren beschleunigen den Typ-2-Diabetes?

Autor: Dr. Judith Lorenz

Bewegung allein reicht zwar nicht, trägt aber maßgeblich zu einer besseren Insulinsensitivität bei. Bewegung allein reicht zwar nicht, trägt aber maßgeblich zu einer besseren Insulinsensitivität bei. © iStock/Jivko
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Bei vielen Menschen mit Typ-2-Diabetes verschlechtert sich im Erkrankungsverlauf die glykämische Kontrolle. Welche pathophysiologischen Prozesse hierzu im einzelnen beitragen, war jedoch kaum durch belastbare Daten belegt. Bis jetzt.

Wird der Blutzuckerspiegel beim Typ-2-Diabetes nicht in einem angemessenen Zielfenster stabilisiert, drohen langfristig Komplikationen, erläutern die Forscher um Dr. Roberto­ Bizzotto­ vom CNR Institute of Neuroscience in Padua. Sie beschäftigten sich mit der Frage, wie sich bei Menschen mit Typ-2-Dia­betes in einer frühen Phase der Erkrankung im Verlauf von drei Jahren der HbA1c-Wert, die Betazellfunktion, die Insulinsensitivität sowie weitere laborchemische, klinische und funktionelle Parameter verändern und welche Rolle diese Faktoren im Hinblick auf die Verschlechterung der Blutzuckerkontrolle spielen.

Umfangreiche Tests und Analysen

Hierzu werteten die Wissenschaftler die Daten von 732 Teilnehmenden der multizentrischen prospektiven IMI-DIRECT-Studie aus. Es handelte sich um weiße Europäer im Alter zwischen 35 Jahren und 74 Jahren, welche seit 6–24 Monaten mit einem Typ-2-Diabetes lebten, der mit Lebensstilmaßnahmen mit oder ohne Metformintherapie behandelt wurde. Der Body-Mass-Index (BMI) der Teilnehmenden lag zwischen 20 kg/m2 und 50 kg/m2 und ihr HbA1c-Wert unter 7,64 %.

Im Verlauf des dreijährigen Beobachtungszeitraums absolvierten die Patienten regelmäßig umfangreiche Tests. Unter anderem erhob das Forscherteam anthropometrische Daten, den HbA1c-Verlauf, die Blutfettwerte sowie die Leberenzyme. Ferner objektivierten sie verschiedene Insulinsensitivität-Indizes, die Betazellfunktion (z.B. Glukosesensitivität) sowie die Insulin­clearance. Vor Studienbeginn erhoben die Wissenschaftler eine Reihe weiterer Laborparameter, darunter Glukagon, Proinsulin und GLP1, mittels Magnetresonanztomographie bestimmten sie den regionalen Gewebefettgehalt. Außerdem objektivierte das Forscherteam die körperliche Aktivität der Teilnehmenden und befragte sie zu ihren Ernährungsgewohnheiten. Aus den gewonnenen Daten berechneten sie anschließend einen polygenen Typ-2-Diabetes-Risikoscore und prüften den Zusammenhang zwischen den longitudinalen metabolischen Veränderungen und der HbA1c-Verschlechterung. Veränderungen des BMI sowie der Diabetesmedikation wurden berücksichtigt.

Subgruppe mit zehnfach schnellerer Progressionsrate

Die Studienkohorte war zur Baseline durchschnittlich 62 Jahre alt, wies einen BMI von 30,4 kg/m2 auf und hatte einen HbA1c-Wert von 6,41 %. Etwa ein Drittel nahm Metformin ein. In der statistischen Auswertung zeigte sich, dass ein schnellerer HbA1c-Progress signifikant und unabhängig mit einer rascheren Verschlechterung der Insulinsensitivität, der Betazellfunktion (Glukosesensitivität) sowie mit einer zunehmenden Insulinclearance korrelierte. Ferner bestand ein bedeutsamer Zusammenhang zwischen dem schnelleren HbA1c-Progress und einem niedrigeren HDL-Wert sowie einem raschen Anstieg der Triglyzeride. Das Ausmaß des viszeralen und des hepatischen Fetts beeinflusste die HbA1c-Progressionsrate ebenfalls signifikant.

Der Raucherstatus, die Familienanamnese, der polygene Typ-2-Dia­betes-Risikoscore, die Ernährung, die körperliche Aktivität sowie das Pankreasfett hatten dagegen keinen unabhängigen Effekt auf den HbA1c-Progress. Gleiches traf auf den GLP1-Wert, den Glukagon- und den 60-Minuten-Proinsulinspiegel sowie die Leberenzyme zu. Anhand der beschriebenen Parameter gelang es den Forschenden, eine Subgruppe von 33 Personen zu identifizieren, die sich von jenen Teilnehmenden mit durchschnittlichem Krankheitsprogress durch eine rund zehnfach schnellere Progressionsrate unterschieden. 

Diese Faktoren beschleunigen den Typ-2-Diabetes

  • nachlassende Insulinsensitivität
  • nachlassende Betazellfunktion
  • steigende Insulinclearance
  • hoher viszeraler oder hepatischer Fettanteil
  • Verschlechterung des Lipidprofils

Behandelnden bieten sich drei Angriffspunkte

Somit gibt es eine ganze Reihe an pathophysiologischen Risikofaktoren, die die glykämische Kontrolle bei Menschen mit Typ-2-Diabetes im Frühstadium verschlechtern, lautet das Fazit der Wissenschaftler (s. Kasten). Ihren Berechnungen zufolge kann der Krankheitsprogress vermutlich gestoppt werden, wenn es gelingt, mindestens einen der drei Parameter Insulinsensitivität, Betazellfunktion und Insulinclearance zu stabilisieren.

Quelle: Bizzotto R et al. Diabetes Care 2021; 44: 511-518; DOI: 10.2337/dc20-1567