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Naturheilkunde: Diese Methoden überzeugen bei chronischen Schmerzen

Autor: Dr. Alexandra Bischoff

Meditative Bewegungsformen wie Yoga, aber auch andere Heilmittel aus der Natur haben sich bereits lange bewährt. Meditative Bewegungsformen wie Yoga, aber auch andere Heilmittel aus der Natur haben sich bereits lange bewährt. © iStock/AscentXmedia
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Bei Schmerzpatienten sind naturheilkundliche Verfahren überaus beliebt. Und tatsächlich ist auch die wissenschaftliche Datenlage zu einigen dieser Therapien so überzeugend, dass so manche Fachgesellschaft sie inzwischen in ihre Leit­linien aufgenommen hat.

Möglichst umfassend, sprich ganzheitlich, will die Naturheilkunde auf Patienten wirken. Ärzte versuchen mit den Verfahren, sowohl die Beschwerden der Betroffenen zu lindern als auch deren Ursachen zu behandeln. Das übergeordnete Konzept umfasst dabei fünf Säulen, bestehend aus Hydro-, Bewegungs- und Ernährungstherapie sowie Phyto- und Ordnungstherapie. Manuelle und ausleitende Verfahren (Stichwort Blutegel) sowie Akupunktur ergänzen die Behandlungen. Welche Methoden innerhalb dieser Säulen für chronische Schmerzpatienten hilfreich sein können, haben Kollegen um Dr. Marc­ Werner­ von der Klinik für Naturheilkunde der Evang. Kliniken Essen-Mitte zusammengetragen.

Hydrotherapie

Vermutlich war der Pfarrer Sebas­tian Kneipp nicht der erste, der vor rund 200 Jahren die parasympathomimetischen Effekte von Kaltwasserreizen entdeckte. Fest steht, dass sich die Hydrotherapie seither weit verbreitet hat und mittlerweile eine Vielzahl von Studien die klinischen Erfahrungen bestätigen konnte.

So wirken Wassergymnastik, Ausdauertraining, Aquajogging und Spa-Therapie nachweislich bei Fibromyalgie und werden in der S3-Leitlinie empfohlen. Balneologie bzw. Heilbäder zeigen positive Effekte bei Gonarthrose, vor allem wenn Patienten mit Komorbiditäten zu kämpfen haben (S2k-Leitlinienempfehlung).

Meditative Bewegungstherapie

Als eine von zwei „Soll“-Empfehlungen der Nationalen VersorgungsLeitlinie für Patienten mit chronischen Schmerzen ist die Bewegungstherapie längst ein wichtiger Baustein in der Behandlung. Die Experten der Leitlinie heben jedoch keine einzelne Bewegungsform als Mittel der Wahl hervor, betonen die Autoren. Neben Kraft- und Ausdauersport können auch meditative Verfahren wie Yoga oder Tai-Chi zum Einsatz kommen.

Insbesondere bei chronischen Rücken- und Nackenschmerzen sowie Arthrose besteht laut einem aktuellen Cochrane­review und mehreren Metaanalysen moderate Evidenz, dass Yoga sowohl Schmerzen als auch funktionelle Einschränkungen mittelfristig verbessert. Einer weiteren Metaanalyse zufolge profitieren Arthrosepatienten von den fließenden Bewegungen des Tai-Chi, ebenso wie Menschen mit chronischen Rückenschmerzen und Osteoporose.

Qigong lindert nachweislich die Beschwerden einer Fibromyalgie, etwa Fatigue, Schlafstörungen, Depression und natürlich Schmerzen. Zudem helfen die Bewegungen den Patienten, ungünstige Körperhaltungen im Alltag zu verbessern.

Ernährung

Sich gesund zu ernähren oder zu fasten, ist in den letzten Jahren zu einer Art Volkssport geworden. Zur naturheilkundlichen Therapie gehört beides schon lange, wobei sich hierzulande vorrangig an der mediterranen Vollwertküche bzw. an der Buchinger-Methode orientiert wird.

Während diese Ernährung chronische Schmerzen positiv beeinflusst, verbessern Fasten und eine anschließende Umstellung auf vegetarische Kost nachweislich subjektive und objektive Krankheitsparameter bei rheumatoider Arthritis. Patienten mit Diabetes mellitus und Metabolischem Syndrom profitieren offenbar vom Intervallfasten.

Phytotherapie

Pflanzliche Schmerzmittel wirken zwar nicht so stark wie nicht-steroidale Antirheumatika oder Opioide. Dafür haben sie ein deutlich günstigeres Nebenwirkungsprofil, schreiben Dr. Werner und Kollegen. Weidenrindenextrakt in einer Tagesdosis von 240 mg der Leitsubstanz Salicin war zum Beispiel einem COX-2-Hemmer bei unspezifischen Kreuzschmerzen nicht unterlegen.

Extern angewendete Pflaster oder Cremes mit Capsaicin reizen die Nervenenden von Nozizeptoren, regen die Durchblutung an und verändern die Schmerzwahrnehmung. Die Nationale VersorgungsLeitlinie Rückenschmerz lis­tet diese deshalb als „Kann“-Empfehlung bei chronischen Rückenschmerzen.

Wer vier Wochen lang mindestens zwei Stunden täglich Kohlwickel auf seine arthrosegeplagten Knie legt, kann sich das teure Diclofenacgel sparen. In einer randomisiert-kontrollierten Studie war das Hausmittel dem Gel in puncto Schmerzen zumindest nicht unterlegen. Hinsichtlich der funktionellen Einschränkung profitierten die Kohlwickler sogar.

Ordnungstherapie

Mithilfe der Ordnungstherapie oder auch Mind-Body-Medicine sollen Patienten ihre biopsychosozialen Ressourcen stärken und so die Selbstheilungskräfte gegenüber äußeren Reizen wie Stress aktivieren. Im Rahmen dieser Lebensstiloptimierung lernen sie zum Beispiel, durch Entspannungstechniken ihre Herz- oder Atemfrequenz zu beeinflussen.

Die achtsamkeitsbasierte Stress­reduktion (mindfulness based stress re­duc­tion) – ein Mix aus Yoga, achtsamer Körperwahrnehmung und Meditationen – scheint kurzfris­tig unspezifische Schmerzen im unteren Rücken zu verbessern. Zudem berichten Betroffene, sich nach dem achtwöchigen Programm besser zu fühlen und bewegen zu können. Fibromyalgiepatienten äußern eine höhere Lebensqualität. Diese profitieren ebenfalls von Neuro- oder Biofeedback.

Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, autogenes Training, Biofeedback und kognitive Verhaltenstherapie werden von der aktuellen Leitlinie zu Migräne und Kopfschmerzen vom Spannungstyp empfohlen, um die Schmerzen zu reduzieren und Attacken vorzubeugen. Eine Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie und Neuro- bzw. Biofeedback scheint auch bei temporomandibulären Syndromen sinnvoll.

Quelle: Werner M et al. Schmerzmedizin 2020; 36: 24-31; DOI: https://doi.org/10.1007/s00940-019-0002-3