Anzeige

Spezifische Immuntherapie Hyposensibilisierung bei allergischem Asthma

Autor: Dr. Dorothea Ranft/Tobias Stolzenberg

Atopische Dermatitis stellt keineswegs eine Kontraindikation für die Hyposensibilisierung dar. Atopische Dermatitis stellt keineswegs eine Kontraindikation für die Hyposensibilisierung dar. © bydvvid – stock.adobe.com
Anzeige

Viele Patienten mit allergischem Asthma bronchiale setzen große Hoffnungen auf eine allergenspezifische Immuntherapie. Doch nicht jeder profitiert davon. Eine neue Leitlinie fasst den aktuellen Wissensstand zur Hyposensibilisierung zusammen.

Die Leitlinie zur spezifischen Immuntherapie bei IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen gilt für alle Menschen mit allergiebedingter Rhinokonjunktivitis mit oder ohne Bronchialbeteiligung und Sensibilisierung auf Inhalationsantigene. Viele der Betroffenen sind gegen Allergene von Birke, Gräsern und Hausstaubmilben sensibilisiert. Mit großer regionaler Variation sind bei mehr als jedem zweiten Patienten auch andere, seltenere luftgetragene Auslöser von Bedeutung, wie Kräuterpollen von Beifuß und Ragweed, Säugetierallergene oder Pollen von Esche, Zypresse und Platane.

Die spezifische Immuntherapie in Form der subkutanen (SCIT) oder der sublingualen Immuntherapie (SLIT) bewirkt eine differenzielle Immunmodulation, die mehrere Phasen umfasst und sowohl das angeborene als auch das adaptive Immunsystem beeinflusst, erläutern die Autoren um Prof. Dr. Oliver Pfaar vom Universitätsklinikum Gießen und Marburg. Studienergebnisse legen nahe, dass die Hyposensibilisierung bei allergischer Rhinitis das Risiko für einen Etagenwechsel, also den Übergang auf die unteren Atemwege, zu reduzieren vermag. Im Zuge der Behandlung und abhängig vom Einleitungsschema bildet sich bei den Patienten eine immunologische Toleranz aus. Letzten Endes entsteht aus dem primär Th2-dominierten Endotyp ein eher T-Zell-normalisierter Typus mit idealerweise klinischer Allergentoleranz.

Asthma bei Gräserpollenallergie

Bei gut oder partiell kontrolliertem gräserpollenbedingtem Asthma sollte eine spezifische Immuntherapie durchgeführt werden, meinen die Experten. Anders als bei allergiebedingter Rhinokonjunktivitis solle man bei allergischem Asthma die Indikation zur SCIT allerdings zurückhaltender stellen. Und keinesfalls dürfe das Verfahren als Ersatz für eine adäquate antiasthmatische Therapie herhalten.

Die Wirksamkeit der SCIT mit Gräserpollenextrakten bei allergischem Asthma ist zumindest bei Erwachsenen gut belegt, so die Autoren. Die Evidenz zur Empfehlung einer SLIT bei gräserpollenbedingtem Asthma sei hingegen eher gering.

Asthma und Birkenpollenallergie

Birke, Hasel, Erle, Eiche und Buche gehören allesamt zur Ordnung der Buchenartigen (Fagales). Beim Allergiker zeigen die Pollen dieser Bäume eine ausgeprägte Kreuzreaktivität, wobei Birkenpollen die stärkste Allergenquelle darstellen. Prinzipiell reduziert eine Immuntherapie mit Birkenpollenextrakt auch die Symptomlast während der Hasel-, Erlen-, Eichen- und Buchenpollensaison.

Die Wirksamkeit einer SCIT mit entsprechenden Pollenextrakten ist bei saisonalem allergischem Asthma durch Baumpollenallergie weder bei Erwachsenen noch bei Kindern ausreichend untersucht, berichten Prof. Pfaar und Kollegen. Gerade einmal eine einzige placebokontrollierte Doppelblindstudie zeigte gewisse Effekte. Weitere Hinweise auf mögliche Erfolge der SCIT in dieser Indikation geben Real-World-Daten aus Unterlagen der Krankenkassen.

Diese Kontraindikationen gibt es

Vor dem Start in eine SCIT oder eine SLIT sind einige Gegenanzeigen zu beachten:

  • schwere Systemreaktionen in der Anamnese
  • Malignome mit aktuellem Krankheitswert
  • ausgeprägte systemische Autoimmunerkrankungen, Immundefekte, relevante Immunsuppression
  • mangelnde Adhärenz, schwere psychiatrische Erkrankung
  • unkontrolliertes Asthma
  • unbehandelte chronische Infektion (HIV, Hepatitis C etc.)
  • speziell für SLIT: entzündliche gastrointestinale Erkrankungen (z.B. eosinophile Ösophagitis), akute und chronisch rezidivierende Erkrankungen, offene Wunden in der Mundhöhle

Im Einzelfall und unter sorgfältiger Kosten-Nutzen-Abwägung ist die Hyposensibilisierung aber immer möglich, heißt es in der Leitlinie.

Für die SLIT ist die Evidenz mit Blick auf die Asthmasymptomkontrolle etwas besser. Die Ergebnisse stammen aus nur drei placebokontrollierten Doppelblindstudien zur allergischen Rhinokonjunktivitis, in die auch Patienten mit Asthma eingeschlossen waren. Insgesamt betrachtet kann bei gut oder partiell kontrolliertem Asthma, das durch Pollen von Birke, Hasel, Erle, Eiche oder Buche ausgelöst wird, eine al­lergenspezifische Immuntherapie ­sicher durchgeführt werden, meinen die Autoren. Das gilt für Kinder, Jugendliche und Erwachene gleichermaßen.

Asthma bei Allergie gegen Hausstaubmilben

Die meisten Untersuchungen zur Hyposensibilisierung bei Hausstaubmilbenallergie wurden mit Extrakten aus ­Dermatophagoides ­pteronyssinus und D. farinae durchgeführt, zwei weltweit verbreiteten Spezies. Sowohl für die subkutane als auch für die sublinguale Anwendung der Extrakte beim Erwachsenen sind Effektivität und Sicherheit belegt, heißt es in der Leitlinie, die im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (­DGAKI) erstellt wurde. Für Kinder und Jugendliche mit allergischem Asthma scheinen die Präparate ebenfalls wirksam und sicher zu sein, wenngleich die Datenlage für diese Patientengruppe dürftiger ist.

Demnach kann bei Asthma mit Hausstaubmilbenallergie eine ­SCIT oder ­SLIT erfolgen. Voraussetzung ist, dass das Asthma auch im Verlauf der Therapie zumindest partiell kontrolliert ist, ungeachtet des Therapieniveaus. In höheren Therapiestufen sollten sowohl die Indikationsstellung zur Immun­therapie als auch die Behandlung selbst durch erfahrene allergologisch tätige Pneumologen oder Kinderpneumologen erfolgen.

Asthma und Beifußblättriges Traubenkraut

Innerhalb der eher seltenen Allergene kommt dem Pollen des Beifußblättrigen Traubenkrauts besondere Bedeutung zu. Diese Pflanze, auch bekannt als ­Ambrosia oder ­Ragweed, wurde vor gut 100 Jahren aus Nord­amerika nach Osteuropa eingeschleppt. Derzeit breitet sie sich in Nordwesteuropa aus, sodass es auch in Deutschland vermehrt zu Allergien gegen Ragweedpollen kommt. Diagnostisch ist es wichtig, die Al­lergie gegen ­Ragweed (­Ambrosia ­artemisiifolia) klar von der gegen den Gemeinen Beifuß (­Artemisia ­vulgaris) zu differenzieren, etwa mittels spezifischer Komponentendiagnostik.

Für Effekte einer ­SCIT bei Asthma mit Allergie auf Ragweedpollen beim Erwachsenen gibt es kaum Belege, für Kinder fehlen sie völlig. Für die ­SLIT hingegen ist die Wirksamkeit eines Tablettenpräparats mit Pollenextrakt für Kinder und Erwachsene mit ragweedbedingter Rhinokonjunktivitis mit und ohne begleitendem Asthma sehr gut belegt. Daher raten die Leitlinienautoren bei diesen Patienten zur Sublingual­tablette mit einem ­Ragweedextrakt.

Vor dem Start in die Immuntherapie gilt es, einige Kontraindikationen zu berücksichtigen (s. ­Kasten). Bedeutsamer Risikofaktor für systemische Nebenwirkungen und damit eine Gegenanzeige für eine ­SCIT oder ­SLIT ist unkontrolliertes Asthma. In solchen Fällen soll man zunächst die pulmonale Therapie intensivieren, um anschließend die kausale Behandlung beginnen zu können, heißt es in der Leitlinie. Exazerbiert das ­Asthma ­bronchiale unter der Hyposensibilisierung, sollte die Asthmabehandlung konsequent eskaliert und SCIT oder SLIT solange pausiert werden, bis die Lungen­erkrankung unter ­Kontrolle ist.

Atopische Dermatitis stellt keineswegs eine Kontraindikation für die Hyposensibilisierung dar, betonen die Autoren. Wenn bei einer Al­lergie gegen Inhalationsallergene die Indikation zur ­SCIT oder ­SLIT gestellt wird, soll auch beim atopischen Ekzem eine spezifische Immuntherapie erfolgen.

Quelle: Pfaar O et al. Allergol Select 2022; 6: 167-232; DOI: 10.5414/ALX02331E