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Fleischlos ernährte Säuglinge richtig mit Eisen, Jod, Zink und Vitaminen versorgen

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Je mehr Lebensmittel ausgeschlossen werden, desto höher ist das Risiko für Mangelerscheinungen. Je mehr Lebensmittel ausgeschlossen werden, desto höher ist das Risiko für Mangelerscheinungen. © iStock/Sasiistock
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Viele Vegetarier und Veganer möchten auch ihr Baby (überwiegend) pflanzlich ernähren. Doch dabei kann es zu gefährlichen Mangelerscheinungen kommen. Was Sie Eltern dringend raten sollten.

Liebhaber fleischfreier Ernährung lassen sich grob in drei Gruppen unterteilen: Am weitesten verbreitet sind Ovo-Lakto-Vegetarier. Sie verzehren weder Fleisch noch Fisch, zu Eiern und Milchprodukten sagen sie aber nicht prinzipiell Nein. Lakto-Vegetarier verzichten auch auf Eier. Veganer lehnen alle Nahrungsmittel tierischen Ursprungs ab, also beispielsweise auch Milch(produkte) und Honig. In der Praxis gibt es allerdings viele fließende Übergänge, schreibt das Team um Privatdozent Dr. Hermann­ Kalhoff­ von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Westfälischen Kinderzentrum des Klinikums Dortmund. Deshalb sollten Sie in jedem Einzelfall genau eruieren, welche Kost die Eltern meinen.

Vegetarische Exklusionsdiäten können für Säuglinge nicht generell empfohlen werden. Denn: Je mehr Lebensmittel ausgeschlossen werden, desto höher ist das Risiko für Mangelerscheinungen. Lassen sich (werdende) Eltern nicht von einer nicht-vegetarischen Kost für sich und ihr Kind überzeugen, gilt es, einiges zu beachten.

Bereits die ovo-lakto-vegetarische Ernährung erfordert bei Säuglingen eine besondere Aufmerksamkeit. Denn durch den Verzicht auf Fleisch verschwindet beispielsweise das gut verfügbare zweiwertige Eisen vom Speiseplan. Als Alternative raten die Autoren, die Beikost mit Vollkorngetreide, idealerweise mit Haferflocken, zuzubereiten. Es enthält reichlich dreiwertiges Eisen. Da dieses allerdings schlechter resorbiert wird, empfehlen Experten die Zugabe von Vitamin-C-reichem Saft oder Obstpüree. Dadurch lässt sich die Aufnahme erhöhen (s. Kasten).

Jodsalz hat in Säuglingskost nichts verloren

Mit Muttermilch und selbst hergestellter Beikost ernährte Kinder erhalten im zweiten Lebenshalbjahr oft zu wenig Jod. Das bei Erwachsenen als wichtigste Quelle dienende Jodsalz scheidet aus, weil Säuglingskost nicht zusätzlich gesalzen werden soll. Seefisch kommt bei einer vegetarischen Ernährung nicht in Betracht. Als Alternative empfehlen Experten die Versorgung über einen kommerziell erhältlichen angereicherten Milchbrei oder die Supplementierung (50 µg Jod pro Tag).

Außerdem ist bei der lakto-ovo-vegetarischen Ernährung die Aufnahme von Zink, Vit­amin B12 und Vitamin D sowie Omega-3-Fettsäuren reduziert. Eine lakto-vegetarische Kost kann zusätzlich ein Vitamin-A-Defizit auslösen. Deshalb sollten Sie mittels Ernährungsanamnese und eventuell durch Laborkontrollen klären, ob die Versorgung ausreicht.

Von einer veganen Ernährung im Säuglingsalter raten die Autoren ausdrücklich ab. Denn dabei drohen multiple, kaum ausgleichbare Nährstoffdefizite und dazu eine mangelnde Kalorienversorgung. Neben der Zufuhr von Eisen, Zink und Jod ist die Aufnahme von Kalzium sowie Vitamin B12, B2, D und A gefährlich vermindert. Zudem fehlt es an biologisch hochwertigem tierischem Eiweiß. Somit besteht ein hohes Risiko für Entwicklungsstörungen und andere Gesundheitsgefahren.

Gemüse-Kartoffel-Getreidebrei

  • 100 g Gemüse
  • 50 g Kartoffeln
  • 10 g Haferflocken
  • 30 g Vitamin-C-reicher Saft oder Obstpüree
  • 20 g Wasser
  • 8 g Rapsöl

Die Vitamin-B12-Versorgung der Kinder veganer Mütter gestaltet sich oft schwierig. Säuglinge, die von Frauen mit Vitamin-B12-Mangel geboren werden, haben schon in utero kaum Vitamin in der Leber gespeichert. Wenn sie gestillt werden und ihre Mutter kein Supplement erhält, bleibt dieses Defizit auch nach der Geburt bestehen. Typische Warn­signale sind mangelndes Wachstum, Muskelschwäche, megaloblastäre Anämie und Entwicklungsstörungen des ZNS. Letztere bilden sich trotz Therapie nicht immer vollständig zurück. Deshalb sollten Sie bei sich vegan ernährenden Schwangeren und Stillenden immer den Vitamin-B12-Spiegel kontrollieren. Wenn Säuglinge oder deren Mütter einen Mangel aufweisen, empfehlen die Autoren als Initialtherapie für das Kind die intramuskuläre Applikation von 1 mg Vitamin B12. Damit ist das Vitamin sofort verfügbar. Die Injektion kann mehrfach wiederholt werden, bevor man auf eine orale Substitution umstellt. Eine vegane Ernährung von Säuglingen ist, wenn überhaupt, nur mit einer regelmäßigen Substitution der fehlenden Inhaltsstoffe – insbesondere Vitamin B12 – möglich. Ein vollständiger Ausgleich der Defizite erfordert Spezialkenntnisse und der dafür nötige Aufwand ist mit dem bei kindlichen Stoffwechselstörungen vergleichbar.

Die Sicherheit von Sojaprodukten ist ungewiss

Pflanzliche Milchersatzgetränke wie Reis-, Mandel- oder Getreidedrinks sind kein geeigneter Ersatz für Muttermilch oder Säuglingsnahrung im ersten Lebensjahr. Als mögliche Alternative nennen die Autoren industriell hergestellte Säuglingsnahrungen auf der Basis von Sojaproteinisolaten. Sie müssen die gleichen Nährstoffregeln erfüllen wie Produkte mit Kuhmilch. Die Sicherheit von Sojaprodukten wird allerdings noch kontrovers diskutiert. Bedenken bestehen vor allem hinsichtlich der darin enthaltenen östrogenen Verbindungen, der möglichen Al­lergierisiken und der Verwendung gentechnisch veränderter Pflanzen.

Quelle: Kalhoff H et al. Kinder- und Jugendarzt 2020; 51: 408-413