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Hypertrophe Kardiomyopathie – Karriere-Aus für Profisportler?

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Rund ein Drittel der plötzlichen Herztode bei College-Athleten und jugen Profisportlern ist auf die hypertrophe Kardiomyopathie zurückzuführen. Rund ein Drittel der plötzlichen Herztode bei College-Athleten und jugen Profisportlern ist auf die hypertrophe Kardiomyopathie zurückzuführen. © iStock/filo
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Findet sich bei einem jungen Profisportler eine hypertrophe Kardiomyopathie, steht die schwere Entscheidung an, ob er mit seinem Sport Schluss machen muss. Eine gewisse Orientierung geben hierfür epidemiologische Daten zu Herztodrisikofaktoren.

In Untersuchungen von College-Athleten in den USA und jungen Fußballspielern in Großbritannien kam man zu dem Ergebnis, dass rund ein Drittel der plötzlichen Herztode in dieser Population auf die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) zurückzuführen ist. Diese ist charakterisiert durch ein elektrophysiologisch vulnerables Substrat, das bei Triggern wie intensiver körperlicher Aktivität unvorhersehbar potenziell letale Arrhythmien generieren kann, auch wenn keine weiteren Risikofaktoren vorliegen. Deshalb hat man früher junge Menschen mit HCM generell von der Ausübung kompetitiver Sportarten ausgeschlossen.

Dafür gibt es durchaus Argumente: Bis zu drei Viertel der Herzstillstände bei jungen Athleten treten während des Sports auf, die übrigen in Ruhe. Wenn man einkalkuliert, dass Training und Wettkampf maximal ein Sechstel der Tagesstunden beanspruchen, wird klar, dass die körperliche Anstrengung tatsächlich der wesentliche Trigger für diese Ereignisse ist.

Viele sterben beim Basketball, Fußball oder American Football

Das HCM-bedingte Mortalitätsrisiko von jungen Sportlern konnte in einer prospektiven Studie mit jungen kompetitiven Athleten durch frühe Diagnose der Erkrankung und nachfolgende Disqualifikation vom Sport um mehr als 70 % gesenkt werden im Vergleich zur ungescreenten Allgemeinbevölkerung. Dennoch wird die Frage, ob eine HCM das Ende der Sportler-Karriere bedeutet, heute differenzierter beantwortet. Wie Jonathan Drezner vom sportkardiologischen Zentrum der University of Washington in Seattle und Kollegen in einem Übersichtsartikel schreiben, sollte der Sportkardiologe unbedingt mit dem Patienten, seinen Angehörigen und Betreuern zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen.

Kleiner Lebensretter

Nicht immer ist es nötig, den Sport aufzugeben. Durch Implantation eines ICD lässt sich die HCM-bedingte Mortalität bei jüngeren Patienten mit hohem Risiko deutlich senken. Das scheint auch für sportlich aktive Patienten zuzutreffen. Daten für kompetitive Athleten sind zwar sehr spärlich. Doch die wenige Evidenz, die es gibt, weist darauf hin, dass auch Wettkampfsportler mit einem ICD aktiv sein können.

Um das Herztodrisiko von Profisportlern einzuschätzen, kann man sich an publizierten Prävalenz- und Inzidenzdaten orientieren. Das jährliche Risiko für einen plötzlichen Herztod bei jungen Athleten mit HCM liegt demnach zwischen 0,1 % und 6,6 %. Besonders hoch scheint das Risiko zu sein bei Sportlern < 25 Jahre, Männern und Aktiven in Hochrisikosportarten (Basketball, Fußball oder American Football). Stark gefährdet sind zudem Patienten mit einer linksventrikulären Wanddicke ≥ 20 mm, einem späten Gadolinium-Enhancement im MRT und konventionellen Risikomarkern wie einem Herzstillstand, ungeklärten Synkopen oder multiplen Episoden von ventrikulären Tachykardien in der Vorgeschichte und einer positiven Familienanamnese für plötzlichen Herztod. Je mehr dieser Faktoren zutreffen, desto mehr sollte das Pendel zum Sportverbot hin ausschlagen. Immer muss diese Entscheidung wohlüberlegt und gut begründet sein und sollte idealerweise vom Patienten mitgetragen werden können. Denn die Kehrseite der „Disqualifikation“ ist eine erhebliche psychische Belastung, z.B. durch Verlust von Selbstidentität, bestimmten Ausbildungsangeboten, potenziellem Einkommen und Ansehen. Auf jeden Fall sollte Sportlern, die aussteigen, ein Trainingsprogramm mit sicherer Intensität angeboten werden, damit sie ihre kardiorespiratorische Fitness erhalten können.

Quelle: Drezner JA et al. Br J Sports Med 2021; DOI: 10.1136/bjsports-2020-102921