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Elektrische Muskelstimulation kann chronische Rückenschmerzen lindern

Autor: Dr. Anja Braunwarth

An den Querfortsätzen der LWS fixiert, stimulieren die Elektroden den Ramus dorsalis der Spinalnerven. An den Querfortsätzen der LWS fixiert, stimulieren die Elektroden den Ramus dorsalis der Spinalnerven. © Mainstay Medical
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Keine OP-Indikation, Physio und Schmerzmedikation unzureichend: Viel blieb da bisher nicht mehr bei chronischen Rückenschmerzen. In solchen Fällen könnte ein kleiner neuromuskulärer Stimulator einen Ausweg bieten.

Etwa zwei Drittel aller Menschen wissen, wovon die Rede ist, wenn es um Rückenschmerzen geht. In rund 7 % der Fälle wird das Leiden chronisch. Ein operationswürdiger Befund liegt nur selten vor, leider helfen auch Physio- und Schmerztherapie meist nicht wirklich weiter.

Als wichtige Ursache der Beschwerden gilt die Rückbildung der Tiefenmuskulatur. An der daraus resultierenden Instabilität scheitert dann auch die Krankengymnastik. Genau daran setzt nun eine neue Behandlungsmethode an: ein implantierbarer neuromuskulärer Stimulator. Er regt die betroffene Muskulatur über minimale elektrische Impulse an. Innerhalb weniger Wochen wird die neuromuskuläre Ansteuerung reaktiviert. So kommt es zu einer zügigen segmentalen Stabilisierung der Wirbelsäule.

Patienten drücken zweimal täglich auf die Fernbedienung

Einer der ersten Orthopäden, die das System hierzulande verwenden, ist Dr. Jan Schilling von der Abteilung für Wirbelsäulen- und Neurochirurgie am Krankenhaus Tabea in Hamburg. Infrage kommen Patienten mit chronischen unspezifischen Rückenschmerzen ohne Indikation zu OP oder spinal cord stimulation nach erfolgloser konservativer Therapie. Bei dem minimalinvasiven Eingriff platziert Dr. Schilling zwei Elektroden an den Querfortsätzen der LWS, die den Ramus dorsalis der Spinalnerven stimulieren. Über Koinnervation erreichen die Impulse die Tiefenmuskulatur der angrenzenden Wirbel. Die zugehörige Batterie mit Impulsgeber findet s.c. im Gesäß ihren Platz.

Die OP birgt kaum spezielle Risiken. „Wir arbeiten ja nicht epidural, sondern nur im Muskelbereich“, erklärt der Kollege. Zu den Kontraindikationen gehören Voroperationen oder Deformitäten im LWS-Bereich sowie ein liegender Herzschrittmacher oder psychiatrische Krankheiten.

Nach dem Eingriff setzen die Patienten via Fernbedienung selbst die Stimulation zweimal täglich für jeweils 30 Minuten in Gang. Die generierten Muskelaktivitäten nehmen die Betroffenen als Kribbeln wahr. Etwa 30–40 Tage dauert es, bis sich die neuromuskuläre Ansteuerung soweit erholt hat, dass die segmentale Stabilität ausreichend wiederhergestellt ist. „Dann starten wir erneut mit der Physio- und Trainingstherapie“, berichtet Dr. Schilling. Im weiteren Verlauf kann man das Gerät von außen abschalten oder auf Wunsch auch über eine Lokalinzision entfernen.

Kosten von 17 000 Euro können vergütet werden

In Deutschland erhielten bislang knapp 30 Patienten die Behandlung, vier davon in Hamburg. „Bei uns waren nach acht Wochen alle beschwerdefrei und sind es bis heute“, betont der Orthopäde. Inzwischen bestätigt eine prospektive multizentrische Studie (s. Kasten) die guten Ergebnisse. Die Kosten von rund 17 000 Euro können laut Dr. Schilling über das NUB*-Verfahren vergütet werden.

Kleine klinische Studie zeigt positive Effekte

  • An der Studie nahmen 53 Patienten teil, die im Durchschnitt 14 Jahre unter chronischen Rückenschmerzen litten.
  • Initial lag die mittlere Schmerzstärke bei 7 auf einer numerischen Ratingskala.
  • Nach 90 Tagen erreichten 63 % einen Abfall um mindestens 2 Punkte in der NRS, nach sechs Monaten waren es 61 % und nach einem Jahr 57 %.
  • In Sachen körperlicher Einschränkungen lagen die Besserungsraten auf vergleichbarem Niveau. Unerwünschte Ereignisse gab es nicht.

* Neue Untersuchungs- und Behandlungs­methoden