Anzeige

AML-Patienten palliativ versorgen: bessere Lebensqualität, weniger Depressionen

Autor: Dr. Miriam Sonnet

Mit der Palliativersorgung konnte die Lebensqualität der Patienten deutlich gesteigert werden. Mit der Palliativersorgung konnte die Lebensqualität der Patienten deutlich gesteigert werden. © pressmaster – stock.adobe.com
Anzeige

Eine intensive Chemotherapie beeinträchtigt oft die Lebensqualität von Menschen mit fortgeschrittener akuter myelo­ischer Leukämie. Zudem sprechen die Patienten nur selten über ihre Bedürfnisse bezüglich der Begleitung und Pflege am Lebens­ende. Eine palliative Versorgung soll dies ändern. Bisher setzten Kollegen die Maßnahmen allerdings aufgrund fehlender Evidenz nur selten ein.

Um Argumente für eine palliative Versorgung von Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) zu prüfen, führten amerikanische Kollegen um Dr. Areej­ El-Jawahri­ vom Massachusetts General Hospital in Boston eine nicht verblindete randomisierte Studie durch. Sie teilten die 160 Erkrankten mit Hochrisiko-AML, die alle eine intensive Chemo­therapie erhielten, in zwei Gruppen ein: 86 Personen erhielten eine ganzheitliche palliative und onkologische Versorgung, die verbleibenden 74 eine Standardbetreuung. Damit sie Lebensqualität und psychologischen Stress am Lebensende beurteilen könnten, ließen die Wissenschaftler die Teilnehmer folgende Patienten-Fragebogen beantworten: FACT-Leu*, HADS** unter anderem mit Fragen zu Angst und Depression sowie PTSD***-Checklist.

Die palliative Intervention

Die Teilnehmer der ganzheitlichen palliativen und onkologischen Versorgung trafen sich innerhalb von 72 Stunden nach der Randomisierung mit einem stationären Palliativmediziner, einer Pflegeexpertin oder einem Assistenzarzt. Der Palliativmediziner betreute zudem den Betroffenen während dessen Klinikaufenthalt mindestens zweimal pro Woche für bis zu ein Jahr. Sowohl Patient als auch Arzt konnten zusätzliche Betreuung anfordern, sofern sie dies als nötig erachteten. Der Mediziner fokussierte sich zunächst darauf, eine Beziehung zum Erkrankten aufzubauen. Weiterhin thematisierte er die Beschwerden des Betroffenen, er sprach mit ihm über seine Krankheit, ermittelte Ziele und Erwartungen und half bei Therapieentscheidungen. All diese Punkte dokumentierte er.

Die Patienten waren im median 64,4 Jahre alt. Von den 160 Patienten hatten 68,1 % vor Kurzem die AML-Diagnose erhalten. Erkrankte in der Gruppe der ganzheitlichen palliativen und onkologischen Versorgung berichteten nach zwei Wochen Intervention über eine bessere Lebensqualität als Betroffene unter Standardbetreuung (p = 0,04).

Teilnehmer thematisierten Wünsche am Lebensende

Außerdem litten die Patienten der Palliativgruppe seltener unter Depressionen, sie waren nicht so ängstlich und sie wiesen weniger Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung auf (p = 0,02; p = 0,02 bzw. p = 0,01). Unterschiede hinsichtlich der Belastung durch Beschwerden gab es laut den Autoren keine. Die Teilnehmer, die starben, sprachen mit ihren Ärzten vor ihrem Tod häufiger über ihre Bedürfnisse am Lebensende, wenn sie palliativ versorgt worden waren. Außerdem erhielten sie in den letzten 30 Tagen ihres Lebens seltener eine Chemotherapie als Patienten mit Standardbetreuung. Keine Unterschiede gab es in den Punkten Hospitalisierungsdauer am Lebensende oder in der Inanspruchnahme eines Hospizes. Viele Onkologen bezweifeln, dass eine palliative Versorgung tatsächlich die speziellen Bedürfnisse von AML-Erkrankten erfüllen kann, schreiben die Forscher in ihrem Fazit. Die Ergebnisse der Studie würden aber beweisen, dass eine ganzheitliche palliative und onkologische Versorgung die Lebensqualität und die mentale Verfassung von Betroffenen mit AML verbessert.

Effekte bestanden ein halbes Jahr lang

Die Effekte der Intervention auf Depression, Angst und posttraumatische Belastungsstörung hielten sogar für sechs Monate nach Initiierung der Chemotherapie an. Die Daten würden demnach die nötige Evidenz liefern, die es braucht, um eine palliative Versorgung für Menschen mit hämatologischen Erkrankungen und hohem Risiko in der klinischen Routine zu etablieren. 

* Functional Assessment of Cancer Therapy – Leukemia
** Hospital Anxiety and Depression Scale
*** posttraumatic stress disorder

Quelle: El-Jawahri A et al. JAMA Oncol. 2020: e206343; DOI: 10.1001/jamaoncol.2020.6343